Die peinlichen Vorkommen bei dem britischen Geheimdienst
09.02.2003

(MF)
Die peinlichen Geschehnisse rund um die Geheimdienstberichte zeigen nur all zu deutlich, wie genau es die britische und amerikanische Regierung mit den Beweisen nehmen und wie Geheimdienstarbeit in der modernen Zeit des Internets und der Kommunikation aussehen.

Man gebe einen Suchbegriff ein, nehme sich die Information, die einem gefällt und fertig ist ein seriöser Bericht, der über Krieg und dem damit verbundenen Leid oder Frieden entscheiden soll. Dabei ist klar, diese Art der geheimdienstlichen Ermittlungen passen zu den wirtschaftlichen Vorgaben, möglichst kostengünstig, ressourcenschonend und schnell zu arbeiten.

Als Blair den Bericht letzte Woche veröffentlichte, betonte dieser, dass es sich um brisantes Geheimdienstmaterial handle. Selbstverständlich werden geheime Quellen nicht veröffentlicht, also konnte Blair davon ausgehen, dass niemand nach der Herkunft der brisanten Informationen fragen würde. Die Freigabe der Quellen würde bedeuten, die Informanten einer Gefahr auszusetzen und gleichzeitig die so wichtigen Quellen zu verlieren.

Ibrahim al-Marashi, ein Student des Monterey Institute of International Studies, erfreut sich jedoch allerbester Gesundheit, obwohl dieser der Hauptverfasser des geheimdienstlichen Berichtes ist. Der war sichtlich erstaunt, als er seine vor Jahren angefertigte Arbeit plötzlich unter den wichtigsten Geheimdienstinformationen wiederfand, obwohl er nicht auf der Gehaltsliste des britischen Geheimdienstes stand und seine Arbeit auch nicht geheimen abgegeben hatte, sondern der Öffentlichkeit im Internet zugänglich gemacht hat. Damit dürfte der britische Geheimdienst eindeutig gegen die Copyrights verstoßen haben. Ob dies zu juristischen Konsequenzen führen wird, ist bislang noch nicht geklärt, denn immerhin handelt es sich um den Raub geistigen Eigentums.

Aber damit der Peinlichkeit noch nicht genug. Mittlerweile stellte sich heraus, dass weitere Artikel aus dem Internet ausgeschlachtet wurden. Nachweislich zwei Artikel von Jane`s Intelligence Review.

Allerdings wurden diesmal die Zahlen der dortigen Publikationen nach oben „korrigiert“. Woher die Zahlen tatsächlich stammen ist fraglich, aber vielleicht tauchen ja noch weitere Internetartikel auf, die entsprechend zur Kenntnis genommen wurden.

Damit hat die britische Regierung allenfalls bewiesen, dass sie eigentlich gar nichts weiß und ihre Politik nicht einmal ansatzweise rechtfertigen kann, Selbst die Arbeit des al-Marashi basiert auf Berichte, die zur Zeit der Irakischen Besatzung von Kuwait angefertigt wurden. Damit sind die Berichte, von denen man auch nicht weiß, ob sie wirklich der Wahrheit entsprechen, mindestens 12 Jahre alt.

Es könnte sein, dass der Intelligence Service der brit. Regierung keine Informationen liefern konnte, die der Kriegspolitik Blairs entspricht. Ähnlich erging es schon der Bushregierung, der die abgelieferten CIA-Berichte über das angebliche Atomwaffenprogramm von Hussein gar nicht ins Konzept passte. Also, musste etwas neues her: Hussein hat Kontakte zu Al Qaida.

Der BBC-news wurden mittlerweile Berichte zugespielt, dass die angeblichen Verbindungen zwischen Hussein und Al Qaida ebenfalls gefaked sind.

Mit dieser Informationspolitik nähern sich die britische und amerikanische Regierung genau der Politik der Lüge und Unehrlichkeit, die sie Hussein öffentlich im UNO-Rat vorwerfen. Es wird versucht ein Krieg und damit das Leid tausender Menschen mit Beweisen zu rechtfertigen, die bei genauem Hinsehen gar keine sind. Wenn dadurch auch noch die eigene Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird (wirtschaftliche Folgen, getötete Soldaten des eigenen Militärs und die Konsequenzen für die Familien der Soldaten), so verlassen die Regierungen auch noch den demokratischen Boden ihrer Gesellschaft.

Aber es könnte noch schlimmer kommen. So hat die New York Times die Aussagen von Stephen C. Pelletiere eines Ex-Mitarbeiters des CIA, veröffentlicht, die den Giftgasangriff von Hussein auf die kurdische Bevölkerung in Frage stellen.

"Alles, was wir sicher wissen, ist, dass Kurden an diesem Tag in Halabja mit Giftgas angegriffen wurden. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass irakische Chemiewaffen die Kurden getötet haben."

Pelletiere war 1991 Leiter einer Kommission der US-Army. Nach seinen Erkenntnissen hat es während des Golfkrieges Iran/Irak eine Schlacht um die Stadt Halabja gegeben, bei der beide Seiten Giftgas eingesetzt hätten. "Die getöteten kurdischen Zivilisten hatten das Pech, ins Kreuzfeuer geraten zu sein. Aber sie waren nicht das eigentliche Ziel des Irak", so Pelletiere. Aus dem  geheimen Bericht, der direkt nach dem Giftgasangriff von der United States Defense Intelligence Agency angefertigt wurde und in dem die Leichen obduziert wurden, geht eindeutig hervor, dass die kurdische Bevölkerung mit einem Gas auf Zyanid-Basis getötet wurde. Aber genau dieses Gas befand sich nicht im Besitz des Iraks, sondern des Irans. Damit wäre der Iran für die toten Kurden verantwortlich, wurde aber dem Irak trotz besseren Wissens scheinbar untergeschoben.

"Ich versuche nicht, Saddam Hussein zu rehabilitieren. Er muss sich auf dem Gebiet der Menschenrechtsverletzungen für vieles verantworten. Aber ihn zu beschuldigen, er habe seine eigene Bevölkerung in Halabja in einem Akt des Genozids mit Gas angegriffen, ist nicht korrekt. So weit die Informationen, die wir haben, reichen, betrafen alle Fälle, in denen Gas eingesetzt wurde, das Kampfgeschehen. Es handelt sich um Tragödien des Krieges. Es mag Rechtfertigungen für eine Invasion in den Irak geben, aber Halabja gehört nicht dazu."

Die Human Rights Watch hingegen bleibt bei ihrer Darstellung, dass der Irak für das Massaker verantwortlich sei.

So ist das eben mit den Geheimdienstinformationen. Welche sind war? Welche sind verändert oder gar frei erfunden? Und kann man einen Krieg mit geheimdienstlichen Informationen rechtfertigen, wenn der Wahrheitsgehalt derart umstritten ist?

Links:
Veröffentlichung der Blair-Regierung:
http://www.number-10.gov.uk/output/Page7111.asp

Artikel des Ibrahim al-Marashi:
http://meria.idc.ac.il/journal/2002/issue3/jv6n3a1.html

Artikel von Jane’s Intelligence Review:
http://jir.janes.com

Artikel der BBC:
http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk/2727471.stm

Artikel der New York Times:
http://www.nytimes.com/auth/login?URI=http://www.nytimes.com/2003/01/31/opinio n/31PELL.html

Human Right Watch:
http://www.hrw.org/backgrounder/mena/iraq1217bg.htm


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