Arbeitskosten in Deutschland zu hoch...
kein Unterschied bei der Investition in Sach- versus Humankapital

22.01.2004

(VS) In der deutschen Wirtschaft wird ökonomisch argumentiert, dass die Kosten der Arbeit zu hoch seien, teils durch zu hohe Lohnnebenkosten, teils durch zu hohe Lohnansprüche. Diese rein ökonomische Betrachtung der Arbeitnachfrager (Unternehmer), die sowohl von Unternehmern als auch Politikern getragen wird, hat ihre Berechtigung aufgrund des Gewinnkalküls bei Wettbewerb. In gleicher Weise ist der Arbeitsanbieter (Arbeiter) berechtigt, sein Angebot ökonomisch zu hinterfragen. Äquivalent zur Investitionsrechnung von Unternehmern sei hier beispielhaft die des Arbeiters aufgestellt. Beiden Kalkülen gemeinsam ist, dass es heute nicht mehr darum geht, in was man sein Kapital investiert, sondern, ob man sein Kapital überhaupt investiert; denn im Gegensatz zur deutschen Nachkriegszeit besteht heute aufgrund des Güterfriedens keine Notwendigkeit mehr dazu, um jeden Preis zu produzieren, bzw. zu arbeiten.

Investitionen in Sach- oder Humankapital müssen regelmäßig den fünf folgenden Bedingungen genügen, damit sie für den Investoren als einen homo oeconomicus Anreize bieten, getätigt zu werden: - Inflationsausgleich; - Risikoprämie; - Opportunitätskosten (sicher und unsicher); - Refinanzierung; - Gewinn.
Investoren in Sachkapital sehen sich einer Fülle von Möglichkeiten gegenüber, ihr Vermögen (Geld) zu investieren; für sie bietet sich optional grundsätzlich die Möglichkeit, dieses am Kapitalmarkt zu einer festen Verzinsung anzulegen. Eine solche Investition erbringt einen Inflationsausgleich, keine Risikoprämie wegen fehlendem Risikos, keine Refinanzierung, da das Kapital bar erhalten bleibt, und keinen Gewinn. Aufgrund der unsicheren Opportunitätskosten besteht für den Investor dann ein Anreiz, sein Geld nach Absicherung aller Kosten in Sachkapital zu investieren, falls er hier einen Gewinn erfährt. In gleicher Weise besteht für den Arbeiter die Möglichkeit, sein Vermögen (Zeit) in eine beliebige Berufsausbildung zu investieren. Theoretisch könnte der Arbeiter stattdessen einer minderwertigen Arbeit nachgehen und so Einkommen erzielen; möglich wäre auch, die Existenzsicherung des Sozialstaates in Anspruch zu nehmen oder eine beliebige Mischung aus minderwertiger Arbeit und Armutspflege. Vorausgesetzt der Arbeiter investiert sein Vermögen (einschließlich Zeit mal sicheren "Opportunitätsstückkosten") in eine Berufsausbildung, so muss er danach ein angemessenes höheres Einkommen erwerben, das einen Gewinn erbringt. Es müssen beide Investitionen, die des Unternehmers und die des Arbeiters den Ansprüchen der Investitionsrechnung (Ich-AG) genügen.
Die Investition eines Unternehmers in ein neues Unternehmen besteht zunächst einmal in dem Erwerb von Grund und Boden sowie Maschinen und Gebäuden, also in Sachkapital. In ähnlicher Weise erbaut der in sich investierende Arbeiter sein Humankapital durch eine Berufsausbildung; sofern der Arbeiter es vorzieht, sein Zeitvermögen in eine unbekannte Zukunft zu investieren (z.B. Lotto spielen oder auswandern u.ä.), besteht für den Unternehmer ebenfalls die Möglichkeit, sein Geldvermögen in hochspekulative Bereiche zu vergeben (z.B. Ölsuche, Schatzsuche u.ä.). Beispielhaft sei im weiteren der Besuch einer Universität durch den Arbeiter untersucht. Hier besteht die Investition aus einer Summe mehrerer Komponenten. Zum einen muss das Existenzminimum durch Bafög, bzw. Nebenverdienst finanziert werden. Insofern es sich um Bafög handelt, muss dieses später zurückgezahlt werden, bedeutet also eine direkte Geldinvestition in die Ausbildung; die Absicherung des Existenzminimums von Studenten durch Leistungen der normalen Sozialgesetzgebung sind ihm weitestgehend verwehrt. Sofern der Student sein Existenzminimum aus anderen Quellen (Erbschaft, Familienzuwendungen) bestreitet, handelt es sich um Geldinvestition im üblichen Sinne. Sofern der Student sein Existenzminimum durch Nebenverdienst bewältigt, muss er hierfür einen Teil seines Zeitvermögens aufwenden (bedarf einer genaueren Betrachtung). Weiters fallen beim Studium Semestergebühren an, es müssen Lehrmittel (Bücher, Büroartikel u.ä.) gekauft sein, es werden gegebenenfalls Repetitorien bezahlt u.s.f.. Rechnet man alles zusammen, kommt man auf Regelstudienkosten von mehreren zehntausend Euro. Beide Investitionen, sowohl die des Unternehmers als auch des Studenten, erfolgen bis hierher in die sog. Fixen Kosten.
Nach der Sachkapitalinvestition in fixe Kosten würde der Unternehmer seine Maschinen zum laufen bringen; um Erzeugnisse zu produzieren, die er dann in Geld umsetzen kann, muss er Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe in die Produktion einbringen. Möglicherweise müsste die Maschine auch mit Hilfe menschlicher Arbeitskraft (z.B. Aufsicht) betrieben werden. Alles in allem entstehen so variable Kosten, die sich ergeben aus dem Produkt von Menge und Stückkosten.
Der durch seine Ausbildung hoch ausgebildete Arbeiter kann eine Beschäftigung ausüben, die ihm ein höheres Einkommen erbringt. Dafür muss er beispielhaft 40 Stunden in der Woche dieser Beschäftigung nachgehen. Er muss Opfer bringen, d.h. er muss ähnlich dem Unternehmer (Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe u.a.) in die Produktion investieren; dieses Opfer besteht zum einen aus der verkauften Zeit (Arbeitsleid), zum anderen aber auch aus der Unmöglichkeit, gleichzeitig Leistungen des Sozialstaates in Anspruch nehmen zu können. Ähnlich den variablen Produktionskosten ergibt sich so das Produkt aus der Stundenzahl (Menge) und den pro Stunde erhaltbaren Leistungen des Sozialstaates (Stückkosten). Beide, Unternehmer wie Arbeiter, haben also bei ihren Investitionsrechnungen weitere Kostenbestandteile als die fixen Kosten zu berücksichtigen. Der Unternehmer die sog. variablen Kosten und der Arbeiter Verlust an Zeitvermögen sowie sozialer Leistungen, also der sog. sicheren Opportunitätskosten. Im Vergleich zwischen Unternehmer und Arbeiter gibt es weitere variable Kosten, die einander gegenübergestellt werden können. So ist die Wartung der Maschinen äquivalent zur Erholung des Arbeiters. Maschinenerhaltungskosten sind äquivalent zu Gesundheitskosten beim Arbeiter; hier eingebunden sind auch die Reinvestitionen (Abschreibungen), sofern sie der Innovation dienen, äquivalent zu Weiterbildungsmaßnahmen.
Dem gesamten Block der fixen und variablen Kosten stehen sowohl beim Arbeiter als auch beim Unternehmer die Einnahmen gegenüber. Beim Arbeiter ergeben sich diese Einnahmen aus dem Produkt von Arbeitsstunden und Stundenlohn, beim Unternehmer aus dem Produkt von Erzeugnismenge und Preis. Die Einnahmen beider müssen die gesamten Kosten übersteigen, damit sich ein Gewinn ergibt; dabei ist zu beachten, dass beim Arbeiter die fixen Kosten der Anfangsinvestition letztlich immer sunk costs (versunkene Kosten) sind. Der Gewinn wiederum stellt die Verzinsung der Investition der fixen und variablen Kosten dar. Damit nicht zum einen die sichere Geldanlage am Kapitalmarkt, zum anderen die sichere Zeitinvestition ins Nichtsarbeiten lohnender ist als die jeweilige Investition, muss dieser Gewinn den risikolosen Kapitalmarktzins bzw. die risikolose soziale Absicherung übersteigen (Motivationsgeber). Außerdem bedarf es einer Risikoprämie, die dafür gezahlt wird, dass es passieren kann, dass das jeweilige Kapital sich minderwertig oder gar nicht aufgrund ökonomischer Umstände verzinst (So kann es beim Humankapital zu Arbeitslosigkeit kommen).

Das Humankapitaluntergangsrisiko (z.B. Invalidität wg. Arbeitsunfall) ist zum Teil über Versicherungskosten durch die Sozialversicherung abgedeckt - ähnliche Absicherungen bestehen auch für Unternehmer im üblichen Sinne ihrer Sachkapitalinvestition. Es ist aber z.B. erwiesen, dass Menschen die arbeiten früher sterben als Menschen die nicht arbeiten. Für dieses statistische Untergangsrisiko gibt es genau wie beim Sachkapitaluntergangsrisikos im Rahmen der makroökonomischen Entwicklung keine Absicherung; obwohl Hilfsmaßnahmen für bedrohte Arbeitsplätze durch den Staat mitunter helfen, gehören Unternehmensuntergänge, wie der Tod zum Leben, zur wirtschaftlichen Entwicklung einer Volkswirtschaft.
Insgesamt muss die Verzinsung so hoch sein, dass sie jede andere Möglichkeit einer gewinnbringenden Investition übertrifft, d.h. beim Unternehmer, es darf keine lohnenderen Investments geben und beim Arbeiter, es darf nicht lohnender sein, eine andere Beschäftigung auszuüben; nur dann sind die notwendigen Anreize gegeben, die Menschen zur Investition zu veranlassen.

 

Exkurs: Risikoprämie
Finanztheoretisch errechnet sich die Risikoprämie mit Hilfe des Erwartungswerts und des Sicherheitsäquivalents. Dabei ist der Erwartungswert derjehnige Wert, der bei Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeiten durchschnittlich erwartet werden kann. Das Sicherheitsäquivalent ist der Betrag, den ein Investor bei Berücksichtigung seiner Risikonutzenfunktion zu zahlen bereit ist, um das Risiko loszuwerden. Die Risikoprämie ergibt sich dann aus der Differenz von Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent. Aus der Konsumentensicht lässt sich das Sicherheitsäquivalent als Selbstbeteiligung und/oder Versicherungsprämie interpretieren. Dementsprechend wäre es die Versicherungsgesellschaft, die bereit wäre, den sicheren Erwartungswert zum Preis des Sicherheitsäquivalents zu verkaufen. Abhängig von der Risikoeinstellung des Investors ergibt sich die Risikoprämie also als der Teil des Ertrags, den er unter einer Selbstbeteiligung für den sicheren Erwartungswert erhält. Andersrum: Wenn die riskante Investition den Erwartungswert erbringt, so wegen der Risikobereitschaft des Investors. Diese Bereitschaft als Kosten interpretiert ist objektiv seine Selbstbeteiligung in Höhe des Sicherheitsäquivalents; er ist sein eigener Versicherer. Der Investor erhält den Restertrag (Risikoprämie), weil er sich auf das Risiko einlässt.

Zwei Beispiele sollen den Vergleich von Sach- und Humankapital verdeutlichen. Zunächst sei eine Rechnung ohne Zeitfaktor vorgestellt.

Ein Unternehmer tätige eine Investition, in dem er eine Maschine zur Produktion eines Gutes x kaufe. Um die Maschine in Betrieb zu nehmen, erwerbe er dazu ein Stück Grund und baue darauf ein angemessenes Gebäude. Die Kosten dieser Investition in diese fixen Kosten betragen 100.000 Euro. In der Produktion werde nun mehrmals täglich der Rohhstoff y angeliefert, der für das zu produzierende Gut x notwendig ist. Der Unternehmer hat den ganzen Tag nichts anderes zutun, als die Produktion zu unterhalten, d.h. sie zu beaufsichtigen und die notwendigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zuzuführen. Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, aber auch die Unterhaltung des Gebäudes wie z.B. Heitzung sowie die Arbeitszeit des Unternehmers bilden die variablen Kosten der Produktion; hierzu zählen auch Wartung und Reparatur der Maschine. Zeitnah erscheinen mehrmals täglich Konsumenten, die die produzierten Güter zum Kaufpreis erwerben. Der Unternehmer habe außer der Schulbildung keinerlei Ausbildung, habe jedoch ein Vermögen in Höhe von 100.000 Euro geerbt. Damit die Produktion beginnen kann, wird ihm vom Staat eine einmalige Subvention in Höhe von 50.000 Euro gewährt. Der Unternehmer investiere diese Summe in alle fixen und variablen Kosten, außer seiner Arbeitsleistung, die insgesamt 150.000 Euro betragen. Der Unternehmer arbeite wöchentlich 40 Stunden in seiner Unternehmung. Insofern er Urlaub macht oder krank wird, wird der Betrieb weitergeführt zu variablen Kosten von 10.000 Euro jährlich, die er aufgrund seiner Ausbildung bei einer abhängigen minderwertigen Arbeit auch erwerben könnte.
Der Unternehmer berechne seine Investition wie folgt: Würde er seine geerbten 100.000 Euro am Kapitalmarkt anlegen, bekäme er dort einen sicheren Zins von 4 % p. A., also 4.000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig könnte er eine risikolose minderwertige Arbeit annehmen und bei gleichem Zeitaufwand im Jahr 10.000 Euro erwerben. Unter Berücksichtigung eines sicheren Vermögens erhalte er so im Jahr ein zu versteuerndes Einkommen von 14.000 Euro. Sofern er nun einer Investition seines Vermögens nach obigen Beispiel zustimmen sollte, müsste die Produktion des Gutes x zunächst einmal diese 14.000 Euro pro Jahr einbringen. Darüberhinaus bedarf es einer Kompensation dafür, dass er mit der Investition das Risiko des unsicheren Ertrages eingeht. Eine Risikoprämie, die wesentlich von der persönlichen Einstellung bzw. Bereitschaft des Unternehmers zum Risiko abhängt, muss insgesamt den Betrag 14.000 + Risikoprämie erbringen. Unter Berücksichtigung seiner persönlichen Risikonutzenfunktion brauche der beispielhafte Unternehmer als Kompensation für das Risiko seiner Investition einen Jahreszins von 35 %, wovon 14 % die o.g. sicheren Opportunitätskosten einschließlich Inflationsausgleich sind. Außerdem muss er als Unternehmer sich in allen wesentlichen Versicherungen mehr oder weniger selbst voll sozial versichern, wie z.B. Rente, Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit (hängt von seiner Risikonutzenfunktion ab). Hierfür seien angenommen jährlich 5.000 Euro mehr aufzubringen als wenn er in einer versicherungspflichtigen minderwertigen Beschäftigung wäre. Somit ergibt sich für ihn, dass er die Investition dann und nur dann tätigen wird, wenn er dadurch einen mit seiner Risikonutzenfunktion entsprechenden Ertrag von mindestens einem Euro jährlich mehr als 40.000 erhält.
Vergleichen wir jetzt diesen Fall mit der eines in sein Humankapital investierenden Arbeiters. Der Arbeiter habe von seinen Eltern ein Geldvermögen von 50.000 Euro geerbt. Nach der üblichen Schulausbildung überlegt er, wie er dieses Geld investieren könnte. Seiner Einschätzung nach und entsprechend seiner Präferenz entscheidet er sich für ein Universitätsstudium anstatt einer sonstigen Anlage. Er berechnet, dass er nach der Ausbildung ein seiner Investition entsprechendes Jahreseinkommen am Arbeitsmarkt erwirtschaften kann, bei einem zum obigen Unternehmer zeitvergleichbaren Job auf 40 Stunden-Basis. Da er ein Geldvermögen in Höhe von 50.000 Euro besitzt, wird er vom Staat kein Bafög erhalten, andererseits aber auch keine Sozialhilfe, da er als Student eingeschrieben ist. Er verzichtet während der Zeit des Studiums auf das Einkommen einer minderwertigen Arbeit auf 40-Wochenstundenbasis, das ihm jährlich 10.000 Euro, die zu versteuern wären, erbrächte. Auch er würde, wenn er sein Geldvermögen am Kapitalmarkt anlegte, einen risikolosen jährlichen Jahreszins von 4 % erhalten. Er wird Monat für Monat einen Teil des Vermögens für sein Studium verzehren, gleichzeitig den jeweiligen Restbetrag jedoch sicher am Kapitalmarkt zum Kapitalmarktzins anlegen. Nach seinen Berechnungen kann er auf diese Weise die gesamte Studiendauer sorgenfrei leben, wobei am Ende sein Vermögen einschließlich der Zinsen verbraucht wäre. Er habe sich außerdem für seinen Traumjob entschieden, was zwar einerseits studienmotivierend ist, aber andererseits den Nachteil hat, dass seine Anstellungsmöglichkeiten nach dem Studium nicht so sicher sind. Mit Zeitberücksichtigung sei angenommen, dass er dieses Studium zu Kosten von insgesamt 100.000 Euro beenden und sofort eine abhängige Beschäftigung finden kann. Diejenigen Kosten des Studiums, die dem Staat entstehen und die dieser dem Studenten frei zur Verfügung stellt, belaufen sich auf insgesamt 50.000 Euro.
Der studieninteressierte Arbeiter berechne seine Investition wie folgt: Würde er seine geerbten 50.000 Euro am Kapitalmarkt anlegen, bekäme er dort einen sicheren Zins von 4 % p. A., also 2.000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig könnte er pro Jahr 10.000 Euro durch minderwertiges Arbeiten erwerben. Unter Berücksichtigung eines sicheren Vermögens erhielte er so im Jahr ein zu versteuerndes Einkommen von 12.000 Euro. Sofern er nun einer Investition seines Vermögens nach obigen Beispiel zustimmen solle, müsste eine Beschäftigung nach dem Studium zunächst einmal 4.000 Euro pro Jahr einbringen (davon 2.000 Euro, da der Student auf 50.000 Euro Einkommen aus minderwertiger Arbeit während eines fünfjährigen Studiums verzichtet). Da der Ertrag des geschaffenen Humankapitals abhängig ist von Konjunktur u.ä., benötigt er hierfür eine Risikoprämie, die wesentlich von seiner persönlichen Einstellung bzw. Bereitschaft zum Risiko abhängt. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass er bewusst ein Studium gewählt hat mit einer geringen Beschäftigungswahrscheinlichkeit. Der Einfachheithalber sei deshalb seine Risikoprämie nur zu 50% berücksichtigt, der Rest sei als Konsum im Sinne von Luxus akzeptiert. Unter Berücksichtigung seiner persönlichen Risikonutzenfunktion brauche der beispielhafte Student als Kompensation für das Ertragsrisiko seiner Investition einen Jahreszins von 35 %, zur Hälfte also von 17,5 %; da es nicht sicher ist, ob der Student das Studium erfolgreich absolviert, seien für dieses Risiko entsprechend seiner Risikonutzenfunktion zusätzlich 17,5 % Jahreszins als Kompensation hinzugerechnet. Da er als abhängig Beschäftigter sich nicht in allen wesentlichen Versicherungen selbst voll sozial versichern muss, wie z.B. Rente, Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit seien jährlich 5.000 Euro weniger aufzubringen als wenn er in keiner versicherungspflichtigen Abhängigkeit wäre. Somit ergibt sich für ihn ceteris paribus, dass er die Investition dann und nur dann tätigen wird, wenn er dadurch ein mit seiner Risikonutzenfunktion entsprechendes wahrscheinliches Einkommen von mindestens einem Euro jährlich mehr als 35.000 erhält.

In diesen bisherigen Investitionsrechnungen fanden die Kapitalkostenbestandteile Inflationsausgleich (Kapitalmarktzins), Risikoprämie und (sichere) Opportunitätskosten (Kosten für eine verpasste (sichere) günstige Gelegenheit) Berücksichtigung. Nicht vollständig berücksichtigt wurde wegen der Ausklammerung der Zeit die Refinanzierung, und der Gewinn. Die Frage der Refinanzierung wurde bereits oben im Ansatz benannt durch Abschreibungen auf Sachkapital einerseits und Weiterbildungsmaßnahmen des Humankapitals andererseits. Zu diesem Zweck reinvestiert man in Sachkapital ständig so, dass der Ursprungswert über die Zeit erhalten bleibt; abhängig von der Zeit entstehen so Kosten, die im sachkapitalen Investitionsertrag berücksichtigt werden. Eine solche Refinanzierung ist in Humankapital durch Weiterbildungsmaßnahmen nur solange äquivalent, wie der Investor hiermit am Arbeitsmarkt Einkommen erzielt; deshalb ist das humankapitale Refinanzierungsäquivalent bei Sachkapitalinvestitionen eher in Reparatur- und Wartungsarbeiten zu sehen. Beim Humankapital muss die Anfangsinvestition am Ende der Lebensarbeitszeit zusätzlich bar zurückverdient werden; diese zeitabhängigen Kosten müssen im humankapitalen Investitionsertrag berücksichtigt werden. Solche Refinanzierung der humankapitalen Anfangsinvestition geschieht i.d.R. über einen längeren bis langen Zeitraum. Unter der Prämisse, dass zukünftige Akademiker wie Arbeiter nach ihrer Schulbildung mit 18 Jahren sofort in den beschriebenen Prozess einsteigen, ergibt sich bis zum 65. Lebensjahr für den Akademiker bei 5-jährigem Studium eine Lebensarbeitszeit von 42 Jahren und für den Arbeiter von 47 Jahren, um die Anfangsinvestition wieder einzufahren. Da der ungelernte Arbeiter nicht in sein Humankapital investiert hat, ist dessen Refinanzierung Null. Sofern der Arbeiter sich als Unternehmer selbständig gemacht hat, refinanziert sich sein Sachkapital jährlich über die Abschreibungen; so bleibt gewiss, dass seine Anfangsinvestition ins Sachkapital auch nach 47 Jahren noch seinen Wert erhalten hat und am Ende verkauft werden kann, der Unternehmer sein Geld zurück bekommt; beim o.g. Beispiel sei die jährliche Reinvestition, die die Sachkapitalinvestition zu ertragen hat, 10.000 Euro. Beim Akademiker muss wie erwähnt der Wert der Anfangsinvestition ins Humankapital über die angenommenen 42 Jahre zurück verdient sein; auf diese Weise ist auch die 5-jährige Phase der Einzahlungsdifferenz zwischen Sach- und Humankapitalinvestition (Studium) berücksichtigt. Beim o.g. Beispiel sei die jährliche Reinvestition, die das Humankapital zu ertragen hat, 100.000 / 42 = 2.381 Euro; ein variabler Berufseinstieg führt zu entsprechend veränderten Kosten. Auf diese Weise wurde in erster Annäherung der Zeitfaktor in die Berechnung eingeführt. Somit ergeben sich für die beispielhaften Investoren folgende Entscheidungskalküle:

  • Für den möglichen Unternehmer ergibt sich, dass er die Investition dann und nur dann tätigen wird, wenn er dadurch einen mit seiner Risikonutzenfunktion entsprechenden Ertrag von jährlich mindestens einem Euro mehr als 50.000 erhält; seine Investition muss also einen jährlichen Zins größer als 50 % erbringen.
  • Für den möglichen Akademiker ergibt sich ceteris paribus, dass er die Investition dann und nur dann tätigen wird, wenn er dadurch ein mit seiner Risikonutzenfunktion entsprechendes wahrscheinliches Einkommen von jährlich mindestens einem Euro mehr als 37.381 erhält; seine Investition muss also einen jährlichen Zins größer als ca. 37,4 % erbringen.

Erst nach Finanzierung auch dieser Kosten lässt sich bei einer Investition ein Gewinn ermitteln. Es ist nicht berücksichtigt, ob und wie der Staat einen solchen Gewinn besteuern kann. Aus Gründen der Steuerneutralität ist aber festzuhalten, dass, wenn Gewinne aus Sachkapital besteuert werden, dieses für Gewinne aus Humankapital genauso gelten muss.

Abbildung:
Unterschiedliche Renditen einer Investition und ihre Kompensationsbestandteile

 
Rendite A
 
 
<--Ertrag-->
 
 
Rendite B
 
 
Rendite B alternativ
 
Quasirente
Gewinn<--ceteris paribus-->Opportunität Bunsichere
Opportunitätskosten
RisikoprämieOpportunität B
Alternativ
sichere Opportunitätskosten
Refinanzierung
Inflationsausgleich
 
Vermögen (Aufwand)
 

Die Abbildung zeigt die Möglichkeiten ein Vermögen in Humankapital zu investieren. Es handelt sich um 3 unterschiedliche Projekte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kosten-Bestandteile Inflationsausgleich, Refinanzierung, sichere Opportunitätskosten und Risikoprämie gleich sind, so dass bis hierher ceteris paribus gegeben ist. Nach erfolgter Investition ergeben sich je nach Wahl verschiedene Renditen. Würde in das Projekt A investiert, so erhält der Investor neben Inflationsausgleich und Refinanzierung, sicheren Opportunitätskosten und Risikoprämie einen Gewinn entsprechend einer durchschnittlichen Einkommensbeziehung. Investiert er stattdessen in Projekt B, so erhält er einen opportunen Ertrag in gleicher (durchschnittlicher) Höhe, dazu noch mehr Ertrag im Sinne einer Quasi-Rente nach Marshall entsprechend der Humankapital-Theorie, also ein überdurchschnittliches Einkommen; wenn es sich bei B um eine Sachkapitalinvestition handelt, so wäre die Quasi-Rente eine Opportunitätsleistung. Eine weitere Möglichkeit wäre die Investition ins alternative Projekt B, womit jedoch ein Verlust eingefahren würde, da der Opportunitätsertrag alternativ geringer wäre als bei Projekt A oder B; eine solche Investition würde der Investor dann und nur dann wählen, wenn der monetäre Verlust durch einen nichtmonetären Nutzen mindestens gleichen Ausmaßes kompensiert wäre.

Allgemein ist es einfacher, die über ein Arbeitsleben erwirschafteten Löhne zu summieren und zu vergleichen. So konnte man 1998 nach Angaben der OECD davon ausgehen, dass unter normalen Umständen ein weiblicher Akademiker in Deutschland in seinem Arbeitsleben durchschnittlich 8% mehr Lebenseinkommen erwirbt als eine Arbeiterin (männlicher Akademiker 11% mehr als der Arbeiter). In den USA beträgt dieses Mehreinkommen weiblicher Akademiker durchschnittlich über 10% und bei männlichen über 14% der Lebenseinkommen der Arbeiter (Ermittelt anhand von Zwillingen, von denen einer studiert hat, der andere nicht).

Nun ist bei der gesamten Berechnung der Zeitfaktor ansonsten weitestgehend ausgenommen. Würde man ihn berücksichtigen, kämen Zins- und Zinseszinseffekte hinzu. Eine derart schwierige Rechnung muss auf den Einzelfall beschränkt bleiben. Und natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten, Arbeiten zu bewerten, die zwar ökonomisch, jedoch nicht monetär sind. Z.B. kann Arbeiten einen eigenen Wert haben als Therapie. Für manche Menschen zählt auch eher die Tatsache einer Zeitbewältigung; es gibt jedoch zunehmend Beispiele von Menschen, bei denen die Zeitbewältigung kein wesentlicher Aspekt ist (Arbeitslose erbringen wertvolle Leistungen für die (auch eigene) Wohlfahrt z.B. ehrenamtlich). Ein weiterer möglicher nichmonetärer Wert von Arbeit liegt im sozialen Prestige.
Alle diese Argumente lassen sich mit Hilfe des Konstrukts der individuellen "Nutzenfunktion" erklären. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Dinge der Welt, ob materiell oder nicht, für das Individuum einen Nutzen, bzw. im umgekehrten Fall einen Disnutzen haben, sofern dieser nicht indifferent (gleichgültig) ist. Die individuelle Nutzenfunktion ist schwer bis gar nicht zu ermitteln. Auch das Individuum ist sich dieser Funktion oft nicht bewusst und selbst wenn, ist es wohl unmöglich, die individuell allgemein gültige Nutzenfunktion aufzustellen. Festzustellen ist jedoch, dass die unsicheren Opportunitätskosten offensichtlich den Nutzen des Nicht-Arbeitens wert sind, wenn man nach abgeschlossener Ausbildung sich entschließt nicht zu arbeiten. Ebenso gibt es eine Nutzenauskunft, wenn man trotz Nicht-Ausbildung nicht arbeitet oder nur zum Teil arbeitet. Und wenn es so ist, dass man eine niedrige Rendite einer höheren Rendite vorzieht, kann das nur daran liegen, dass es einen Nutzen für eine verpasste günstige Gelegenheit, einen Opportunitätsnutzen, gibt, welcher der monetären Komponente vorgestellt ist und zwar im wörtlichen Sinne vor die höhere Rendite und im weiteren Sinne imaginär; der Nutzen kann nur die Marge über der opportunen Grenze sein, "darunter" befinden sich ein alternativer Opportunitätsertrag.

Einflussmöglichkeiten:
Im Rahmen des hier vorgestellten Kalküls bei Humankapitalinvestitionen besteht von übergeordneter Stelle (z.B. Staat) die Möglichkeit, die Inflationsrate, bzw. den Kapitalmarktzins, im gewissen Sinne also die Kompensation eines systematischen Risikos zu beeinflussen; durch politische Entscheidungen kann das weitere systematische Risiko gesteuert werden. Zudem kann der Staat die sicheren Opportunitätskosten durch Bestimmung der sozialen Leistungen festsetzen. Außerdem können Anforderungen an die direkten Ausbildungskosten gestaltet werden; diese Kosten werden auch von Unternehmen im Rahmen des Dualen Systems und der Humankapitalanforderungen beeinflusst. Arbeitsanbieter beeinflussen das Kalkül wesentlich durch ihre Risikonutzenfunktion und der hierbei entsprechenden Risikoprämie im gewissen Sinne als Kompensation für das unsystematische Risiko. Durch sparsame und zügige Ausbildung haben sie Einfluss auf die direkten Ausbildungskosten. Es ist insgesamt zu beachten, dass es zu gegenseitigen Beeinflussungen im Sinne von Trade offs kommen kann; so könnte z.B. eine Verringerung der sozialen "Opportunitätskosten" zu einer Erhöhung der Risikoprämie entsprechend einer angepassten Risikonutzenfunktion kommen; handelt es sich dabei um risikoaverse Risikonutzenfunktionen, kann davon ausgegangen werden, dass ein nichtproportionaler Trade off zu überproportionalen Einzahlungsforderungen führt - im umgekehrten Fall der Risikofreude zu verhältnismäßig niedrigeren Einzahlungsforderungen.


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