Das tägliche Gläschen Alkohol verringert das Risiko von Herzerkrankungen

25.01.2003
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein moderater Alkoholkonsum Herzerkrankungen vorbeugen kann.

(MF) Alkohol wird von einem körpereigenen Enzym Alkoholdehydrogenase 3 (ADH3) im Organismus abgebaut. Dieses Enzym kann in zwei natürlichen Formen vorliegen, wobei eine Alkohol langsam und die andere Alkohol schnell abbaut.

Lisa Hines et al. von der Harvard School of Public Health charakterisierten diese Gene bei 396 Leuten, die eine leichte Herzattacke hatten. Als Kontrollgruppe dienten 770 Leute, die bis dato keine Herzerkrankungen hatten und sie verglich den Alkoholgenuss der Probanden.

Das Ergebnis war überraschend. Die wenigsten Herzerkrankungen waren bei Männern zu finden, die täglich kleinere Mengen Alkohol zu sich nehmen und zwei Kopien der langsameren Enzyme haben. Sie wiesen eine 86%ige Reduzierung des Risikos einer Herzerkrankung auf als mit Männern mit Genen, die zwei Kopien der schnellen Enzyme besitzen. Eine Studie an 325 Frauen hat diese Ergebnisse bestätigt und Hines vertritt die These, dass Alkohol gegen Herzkrankheiten in Form einer Anhebung des HDL-Levels, dem „guten“ Cholesterin, schützen kann. Diese Studie erhärten wissenschaftlich die Theorie, dass Alkohol eine gesunde Wirkung haben kann, solange er in moderaten Dosen genossen wird.

Eine weitere 12jährige Studie, zeigt, dass das regelmäßige trinken der Schlüssel dafür ist, um das Risiko für Herzerkrankungen zu vermindern, weniger der Typ des Alkohols (Wein, Bier etc.), und auch nicht, ob dieser während des Essens getrunken wurde oder nicht. Kenneth Mukamal vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, teilte mit, dass es überraschend war, dass die Frequenz des Genusses der Schlüsselfaktor ist. Die Studie stützt sich auch nahezu 40.000 gesunde Männer zwischen 40 und 75 Jahren. Männer die drei oder viermal in der Woche einen Drink zu sich nahmen, reduzierten das Risiko einer Herzattacke um 32% im Vergleich zu Männern, die weniger als einmal in der Woche einen Drink zu sich nahmen. Männer, die höhere Mengen an einem oder zwei Tage in der Woche zu sich nahmen, reduzierten ihr Risiko lediglich um 16%. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass ein halbes Glas effektiver ist als zwei Gläser. Der Alkohol könnte dabei helfen, das Blut zu verdünnen, spekuliert Mukamal. Die Frequenz des Trinkens ist wichtig, denn Alkohol ist im Körper relativ schnell abgebaut und der Effekt auf die roten Blutkörperchen ist nur von kurzer Dauer.

Zu einem leicht anderen Ergebnis kommt eine andere Studie, die sich mit dem sog. „Französischen Paradoxon“ beschäftigt. Dieses Paradoxon – warum haben Franzosen eine niedrigere Rate an Herzerkrankungen obwohl sie mehr fettiges Essen zu sich nehmen als andere Nationen – hat Wissenschaftler lange verwirrt.

Die Liebe der Franzosen zu Rotwein scheint dafür ein Schlüsselfaktor zu sein. Roger Corder et al. an der London School of Medicine and Dentistry haben entdeckt, dass Rotwein das Schlüsselmolekül Endothelin-1 (ET-1), welches mit koronalen Herzerkrankungen in Verbindung steht, regelrecht ausbremst.

ET-1 ist ein Proteinfragment das in den Zellen des Endothels entsteht, welches Blutgefäße auskleidet. Normalerweise spielt es eine Schlüsselrolle in der Aufrechterhaltung der Arterien- und Venenstruktur und hilft bei der Reparatur, wenn diese geschädigt sind. Zuviel ET-1 kann eine Verdickung von Blutgefäßen und Arteriosklerose hervorrufen und bestehende koronale Herzerkrankungen verschlimmern.

Die Forscher stellten Extrakte aus Rot-, Weiß- und Rosewein sowie roten Traubensaft her und testeten diese um herauszufinden, welchen  Effekt sie auf die  ET-1-Produktion in kultivierten Endothelzellen ausüben. Weißwein zeigte keinen Effekt, aber das Extrakt des Rotweins (der aus der Cabernet Sauvignon Traube gewonnen wurde) konnte die Produktion des ET-1 mehr als halbieren. Der Rosewein (eine Variante der selben Traube) hatte keinen Effekt. Dies führt zu der Vermutung, dass die aktiven Komponenten aus der Haut der Traube stammen müssen.

Das Team studierte 23 Rotweine und fand, dass die Weine am effektivsten die ET-1-Produktion bremsten, die die größten Mengen an Polyphenolen enthielten. Etliche dieser Substanzen sind als gesundheitsfördernde Antioxidanzien bekannt, welche freie Radikale abfangen und somit Arterien vor einer möglichen Fettablagerungen bewahren.

Allerdings hat keines der bekannten Polyphenole einen Einfluß auf die ET-1-Produktion. „Wir glauben, wir haben hier ein neues, unbekanntes Polyphenol gefunden“, so Corder.

Auch zeigt roter Traubensaft einen begrenzten Einfluss. Dies liegt vermutlich daran, dass Polyphenole in Alkohol besser gelöst werden als in Wasser.

Das Team fand weiterhin heraus, dass das unbekannte Polyphenol durch das Blockieren der Aktivität eines Enzyms bei der Signalübertragung der Zelle wirkt. Die Forscher hoffen durch die Identifizierung des Polyphenols, das diese Reaktion auslöst, für die Entwicklung eines neuen Medikamentes gegen Arteriosklerose nutzen zu können.

Die Ergebnisse der Studie nahmen französische Winzer zum Anlass, um einen neuen Weißwein zu kreieren, der alle angeblich gesundheitsfördernde Stoffe des Rotweins enthalten soll. Dieser neue Wein bekam den Namen Paradoxe Blanc, benannt nach dem Französischen Paradox.

Polyphenole sind in der Haut von Weintrauben konzentriert, und je nachdem, wie der Rotwein hergestellt wurde, kann er einen hohen Polyphenolanteil enthalten. Pierre-Louis Teissedre et al. von der Universität Montpellier, Frankreich, hat das Verfahren der Rotweinherstellung, Traubenlese (nur polyphenolreiche Trauben) auf die Herstellung von Weißweinen übertragen und einen Chardonnay produziert, der einen viermal höheren Anteil an Polyphenolen hat als herkömmlicher Weißwein. Extraschritte bei diesem Prozess beinhalten das Weichmachen der gestampften Trauben über sechs Tage und das Erhitzen der Mixtur auf eine höhere Temperatur.

Sie entwickelten Paradoxe Blanc speziell für Menschen mit Jugenddiabetes und Diabetes TypI, da ihre Körper bei dem Abfangen der freien Radikale weniger Effektiv sind als normal. Tests an Ratten mit Diabetes zeigten, dass der Weine den Antioxidanzienwert im Blut auf Normalwerte annähert, auch wenn aller Alkohol abgebaut ist. Teissedre vermutet, dass ein oder zwei Gläser am Tag den Schaden durch oxidativen Stress für Menschen mit Diabetes erheblich reduzieren könnte. Jetzt will Teissedre zeigen, dass der Wein dabei hilft, Arterien vor Fettablagerungen zu schützen und damit die Gefahr für Herzattacken und Schlaganfälle reduziert.

Viele Experten sind  skeptisch, ob Rotwein wirklich gesundheitsfördernde Substanzen enthält, wo andere Studien vermuten, des es vollkommen egal sei, ob der Alkohol in Form von Wein, Bier oder Schnaps konsumiert wird.

Während die Wissenschaftler noch streiten, machen Winzer schon mal Nägel mit Köpfe, um den Markt zu erobern. Paradoxe Blanc ist mittlerweile kommerziell erhältlich und gehört zu einer neuen Generation von Weinen die bewusst mit Antioxidanzien angereichert sind.

Insgesamt lässt sich für alle Studien, die sich mit der gesundheitsfördernden Eigenschaft von Alkohol beschäftigen sagen, dass sie in der Fachwelt umstritten sind. Mediziner warnen, dass die Ergebnisse zum Anlass für einen erhöhten Alkoholkonsum genommen werden könnten, und damit andere Risiken, die mit Alkohol zusammen hängen, wie Leber- und Hirnschäden, außer Acht lassen. “

Der beste Weg um genügend Antioxidanzien aufzunehmen, ist eine Menge an Früchten und Gemüse zu essen”, argumentiert Eleanor Kennedy von der Chariy Diabetis UK in London. “Menschen mit Diabetis sollten nur geringe Mengen an Alkohol zu sich nehmen.” Kennedy rät von einem Alkoholgenuss ab.

“Wir raten niemanden, das Trinken anzufangen, um Herzerkrankungen vorzubeugen. Es gibt andere Wege, die nicht die Risiken des Alkohols enthalten”, so Claude Lenfant, von der US National Heard, Lung and Bloods Institute. “Diese Wege enthalten das Erniedrigen des Cholesterinspiegels und Blutdrucks durch eine bewusste Ernährung, auf das Körpergewicht achten, physische Aktivitäten und das Nichtrauchen”.

Stefan Teyssen und Manfred V. Singer von der Universität in Heidelberg kommen in einer Studie gar zu dem Ergebnis, das Alkohol die Krebsgefahr in den Verdauungswegen und –organen steigert und raten dringend von jedem Alkoholgenuss ab.

 
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